Pressemitteilung
Voller Erfolg für die Sex-Lobby – warum NRW-PolitikerInnen weiter Prostitution und Menschenhandel fördern wollen
Die Anhörung zum Sexkaufverbot im Landtag am 14.01.2021 brachte keine ehrliche und faktenbasierte Diskussion über die Vor- und Nachteile eines Sexkaufverbots nach Nordischem Modell. Eine Sprecherin des Ausschusses für Gleichstellung und Frau wies zu Beginn der Sitzung auf die schier unglaublich hohe Zahl an Stellungnahmen hin. Ein Versuch der Zivilbevölkerung, eine ausgewogene Diskussion zu ermöglichen. Denn wie der Aktionskreis Nordrhein-Westfalen pro Nordisches Modell schon im Vorfeld kritisiert hat, gab es unter den zehn geladenen Sachverständigen nur einen Vertreter, der das gewaltvolle und ausbeuterische System Prostitution erkennt und offensiv ein Umdenken in der deutschen Prostitutionspolitik fordert. Die jedoch im Vorfeld entschiedene Richtung, nur auf die Lebenswelt einiger Hundert SexarbeiterInnen zu schauen, verursacht eine vertane Chance für zehntausende Opfer von Menschenhandel und Zwangsprostitution. Eine Vertreterin der FDP machte gleich zu Beginn deutlich, worum es in der zweistündigen Anhörung gehen sollte: Man rede nur über Sexarbeit und nicht über Zwangsprostituierte. Dabei ist eine Trennung weder von Zwangsprostitution/freiwilliger Prostitution noch von Hellfeld/Dunkelfeld möglich. Unwissenheit, Falschinformation und Mythen über das Nordische Modell prägten die Anhörung.
Helmut Sporer, der als Kriminalhauptkommissar a.D. über 30 Jahre lang im Feld von Prostitution und Menschenhandel ermittelt hat, kam erst gegen Ende der zweistündigen Anhörung zu Wort und konnte aus Zeitmangel und technischem Unvermögen vonseiten des Ausschusses (fremde Person mit Bild und Ton ließ sich aus der Videoschalte nicht entfernen) nicht alle seine Argumente vortragen. Das Nordische Modell ist für den erfahrenen Polizisten ein „großer Erfolg“, schwere Straftaten bis hin zum Mord seien dort zurückgegangen. Ein gesellschaftlicher Wandel hätte in den Ländern des Nordischen Modells eingesetzt. Bei uns bekämen Prostituierte den Namen ihrer Zuhälter eintätowiert… Dann wurde ihm leider das Wort abgeschnitten.
Viel Redezeit bekamen dagegen die Lobbyisten des Milieus: Nicole Schulze, Vertreterin des Berufsverbands erotische und sexuelle Dienstleistungen, die sich selbst als Loverboy-Opfer vorstellte (!) und 2004 angefangen hätte, auf der Straße zu arbeiten. Sie durfte berichten: „Mein Beruf erfüllt mich.“ Nach ihr durfte Holger Rettig vom Unternehmerverband Erotik Gewerbe reden. Er mahnte, eine Online-Befragung hätte ergeben, dass 75 % der Freier keine unentgeltlichen SexualpartnerInnen mehr fänden und ein Großteil nicht einen Cent mehr zahlen würde, selbst wenn er als Freier der Gefahr einer Bestrafung ausgesetzt wäre.
Die Befragung weitere Expertinnen brachte Erstaunliches: Frau Degenhardt von Kober konnte es sich „nicht vorstellen“, dass das Nordische Modell die Prostitution zurückdränge. Und Frau Hitzke, Leiterin der Dortmunder Mitternachtsmission, wagte die steile These: „viele Sexarbeiterinnen wollen gar nicht aussteigen“ oder führte an, dass viele Prostituierte an ihrem Arbeitsplatz – dem Bordellzimmer – schlafen und wohnen wollen. Dass das der Grund ist, wieso so viele Prostituierte bei der Corona bedingten Schließung der Bordelle plötzlich obdachlos geworden sind, wurde leider nicht herausgearbeitet. Deutlich zu vernehmen aber war, dass viele Fachberatungsstellen Ängste haben, dass die „SexarbeiterInnen“ nicht mehr für das Hilfesystem erreichbar wären. Auf die Idee, das Hilfesystem umzustellen und anzupassen, kam bisher niemand. Wenn im Nordischen Modell die Freier die Prostituierten finden, so gelingt es auch der Polizei und den Ausstiegshilfen.
Kaum war die Sitzung vorbei, wurden auch schon die ersten Pressemitteilungen der teilnehmenden PolitikerInnen verteilt. Heike Troles von der CDU unterstellt darin dem schwedischen Sonderbotschafter Per-Anders Sunesson, dass er die Umsetzung des Gesetzes in der eigenen Heimat „durchaus kritisch“ sieht. Das sind nun wirklich Fake News!
Wenn im bevölkerungsreichsten Bundesland Deutschlands ein Ausschuss zur dieser Frage tagt, sollte es um eine sachgerechte und faire Diskussion gehen, die die Gleichstellung der Geschlechter im Blick hat. Solange aber Freier Frauen zur sexuellen Benutzung kaufen können, wird in Deutschland keine Gleichstellung der Geschlechter möglich sein. Bei der Anhörung am 14.01.2021 wurde diese Gelegenheit vertan. So gesehen bekommt der Titel der Anhörung „Nein! Zum Sexkaufverbot des Nordischen Modells – Betroffenen helfen und nicht in die Illegalität abschieben“ eine ganz andere Bedeutung! „Vordergründig dachten wir“, so die Initiatorin Simone Kleinert des der Aktionskreises Nordrhein-Westfalen pro Nordisches Modell, „ginge es dem Ausschuss um die Betroffenen, nämlich den Prostituierten.“ Bei der Anhörung ging es tatsächlich um ganz andere Betroffene, nämlich um die Profiteure der Prostitution wie Freier, ZuhälterInnen und Bordellbetreibende. Diese gilt es nach Auffassung der Landesregierung ganz offensichtlich nicht in die Illegalität abzuschieben. Im Nordischen Modell werden nämlich die Prostituierten entkriminalisiert, hingegen die Freier, ZuhälterInnen und Bordellbetreibenden kriminalisiert, also in die Illegalität abgeschoben. Ein kleiner, aber feiner Unterschied!
14.1.21 Protestdemo Demo zur Anhörung NRW- Landtag zu Sexkauf
#Sexkaufverbot jetzt! #Nordisches Modell
Protest-Demo:
Donnerstag, 14.01.2021 vor dem Düsseldorfer Landtag in der Zeit von 12 bis 13 Uhr zur Anhörung für Sexkauf im Landtag NRW
Pressemitteilung
Dortmund, 08.01.2021
Am 14.01.2021 lädt der NRW Landtags-Ausschuss für Gleichstellung und Frauen zu einer Anhörung von Sachverständigen ein. Es geht um das Thema „Nein! Zum Sexkaufverbot des Nordischen Modells – Betroffenen helfen und nicht in die Illegalität abschieben“, wie es die Fraktionen von CDU und FDP, Drucksache 17/10851, beantragt haben. Bei den zehn geladenen Sachverständigen handelt es sich überwiegend um Personen und Vereine, die sich weiter für den liberalen Umgang mit dem Sexkauf einsetzen; die Zwangsprostitution und Gewalt in der Prostitution nicht wahrhaben wollen. Wir sind Menschen, die sich haupt- oder ehrenamtlich für die in der Prostitution tätigen Menschen einsetzen, Präventions- und Ausstiegsarbeit sowie Aufklärung- und Informationsarbeit über das gewaltvolle und ausbeuterische System Prostitution leisten. Wir können die Auswahl an parteiischen Sachverständigen nicht hinnehmen. Daher haben wir uns zu einem Aktionskreis Nordrhein-Westfalen pro Nordisches Modell zusammengeschlossen, eine Stellungnahme verfasst und richten diese an die Mitglieder des o.g. Ausschusses des Landtages Nordrhein-Westfalens. Schon bei der Durchsicht des Plenarprotokolls 17/100 vom 17.09.2020 ab Seite 94 unten (https://www.landtag.nrw.de/…/dok…/Dokument/MMP17-100.pdf) haben wir feststellen müssen, dass sich die Beiträge der PolitikerInnen hauptsächlich auf die Aussagen einiger lautstark öffentlich auftretender Bordellbetreibenden, ZuhälterInnen und Dominas beziehen. Diese Lobbyisten allerdings vertreten nur eine sehr kleine Gruppe der in der Prostitution tätigen Menschen in Deutschland. Wir sind betroffen über folgende Aussage und zitieren aus dem o.g. Plenarprotokoll, S. 95, Simone Wendland, CDU: „Wir müssen akzeptieren, dass Menschen sich prostituieren – sei es, weil es ihr Beruf ist; sei es, weil sie dazu gezwungen werden.“ NEIN, wir dürfen als Zivilgesellschaft nicht akzeptieren, dass der Großteil der in der Prostitution Tätigen gezwungen wird, sich zu prostituieren, sich sexuell benutzen zu lassen und mit psychischen und physischen Folgeschäden leben muss. Der kommerzielle Frauenkauf steht der im Grundgesetz festgeschriebenen Geschlechter-Gleichstellung entgegen. Solange Männer Frauen zur sexuellen Benutzung kaufen dürfen, solange werden Frauen in der Gesellschaft nicht gleichgestellt agieren können. Das System Prostitution steht der Gleichstellung der Geschlechter entgegen, da sich das Machtungleichgewicht ständig manifestiert. Wir fordern daher zusammen mit der Empfehlung des Europäischen Parlamentes aus dem Jahr 2014 (https://www.europarl.europa.eu/…/die-freier-bestrafen…) die Einführung von Gesetzen entsprechend dem Nordischen Modell, dem sog. Sexkaufverbot. Dieses Modell nimmt die Freier/Sexkäufer als Verursacher von Zwangsprostitution und Menschenhandel zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung in die Verantwortung. Das Nordische Modell entkriminalisiert und unterstützt die in der Prostitution Tätigen, bietet Ausstiegshilfen an und leistet Prävention in Form von Bildungsangeboten und Aufklärungskampagnen. Näheres entnehmen Sie bitte unserer Stellungnahme vom 08.01.2021. Ganz aktuell dazu lief am 04.01.2021 eine Reportage auf Arte. Anbei der Link:
https://www.arte.tv/de/videos/093707-012-A/re-sex-aus-armut/ Wir fragen uns: Warum unterstützt, verteidigt und schützt das Land NRW den Anspruch einer Minderheit von Männern auf das bezahlte Benutzen von Frauenkörpern?
Wir fragen uns weiter: Warum fördert das Land NRW die Geschäfte von Menschenhändlern und kriminellen Betreibern von Bordellen und Laufhäusern?
Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an Simone Kleinert unter der Rufnummer 0176 826 14445 oder an ed.et1759845148hcern1759845148euarf1759845148@dnum1759845148trod1759845148.
Aktionskreis Nordrhein-Westfalen pro Nordisches Modell:
Arbeitskreis Frauenrechte sind Menschenrechte, Paderborn
Feministische Partei DIE FRAUEN, Dortmund
Frauenverband Courage, Essen
Girl take care, Köln
Leben in Freiheit e.V., Bonn
Linke für eine Welt ohne Prostitution, Essen
Netzwerk Pro Sexkaufverbot, SPD
SISTERS Ortsgruppe Köln
SOLWODI Oberhausen
TERRE DES FEMMES Städtegruppe Bielefeld
TERRE DES FEMMES Städtegruppe Dortmund
TERRE DES FEMMES Städtegruppe Düsseldorf
TERRE DES FEMMES Städtegruppe Köln
Viktoria Kirikova, Überlebende der Prostitution, Aktivistin im Netzwerk Ella, Dortmund
Windrose e.V., Düsseldorf
Anmerkung:
Prostitution ist in erster Linie geschlechtsspezifische Gewalt gegen Frauen. Die zu ergreifenden Maßnahmen schließen selbstredend weitere in der Prostitution tätige Personen ein.