„Wir wissen, was gemeinnützig ist. Und wir haben gelernt: Wer kämpft, kann gewinnen!“(Courage Essen)
- Oktober 2020: Kundgebung und Demo gegen die Schließung von zwei Krankenhäusern im Essener Norden. Um die 50 Leute waren die ganze Zeit dabei oder kurz am Infostand, um sich die Mitmachliste einzutragen und Infos mitzunehmen.
Die Schließung der Krankenhäuser sind eine Katastrophe! Nicht nur in Coronazeiten. Der Kampf um wohnortnahe Gesundheitsversorgung, in der die Menschen und nicht der Profit im Mittelpunkt stehen, braucht jede Unterstützung. Wir waren von Courage schon bei der ersten Kundgebung dabei. Viele unserer Frauen und ihre Familien sind direkt betroffen, weil sie im Norden wohnen. Aber auch wir alle sind betroffen: Die Bettenzahl, ärztliche Betreuung und Pflege in ganz Essen wird dadurch sehr minimiert. Arbeits- und Ausbildungsplätze ruiniert. Die ihren Arbeitsplätze behalten können, sollen an die Niedriglohnfirma „Perse“ abgeschoben werden…
In unserem Redebeitrag haben wir uns vor allem mit zwei Fragen beschäftigt:
- Stimmt die Behauptung, dass eine Ursache für die „Notwendigkeit“ der Schließungen „zu wenig qualifiziertes Personal“ ist? Oder können gut viele ausgebildete Frauen nicht oder nur Teilzeit arbeiten, weil ein Pflegeberuf nicht vereinbar ist mit der Familie?
- Eigentümer der Krankenhäuser ist die katholische Contilia GmbH, sie ist als gemeinnütziger Verein anerkannt! Was bitte ist an diesem Profitverein „gemeinnützig?“
Hier ist der ganze Text:
Redebeitrag Courage Essen bei der Demo gegen Klinikschließungen im Essener Norden am 31.10.2020Liebe Kolleginnen und Kollegen,
ich bin Susanne Keil und überbringe euch Solidaritätsgrüße vom Frauenverband Courage Essen.
Die Schließung von gleich zwei Krankenhäusern im Essener Norden ist katastrophal. Da brauch ich euch nichts erzählen, das kriegt ihr ja alle selbst hautnah mit!
800 von 1.400 Krankenhäusern in Deutschland sollen dicht gemacht werden! Wir hören, dass ein Grund dafür sei, dass es zu wenig medizinisches Personal gibt.
Dabei wissen wir, dass allein über eine Millionen gut ausgebildete Frauen vor allem deshalb nicht oder nur gering erwerbstätig ist, weil Beruf und Familie für sie kaum vereinbar ist.
Die doppelte Ausbeutung und Unterdrückung von Frauen in Betrieb und Gesellschaft zeigt sich verschärft in der Corona-Pandemie: Erkämpfte Frauenrechte sind weg. Mama wieder an Heim und Herd, Tag und Nacht.
Zu 90 % sind es die Mütter, die den neuen Alltag zu Hause organisieren.Plötzlich Homeoffice, Kurzarbeit…Plötzlich Lehrerin und Kita-Ersatz, neben Hausarbeit und Pflege von Angehörigen, die Du eh schon immer gemacht hast.
Die Gewalt gegen Frauen und Kinder steigt drastisch an.
Und die nächste Klinik vom Essener Norden aus ist bald eine Bus-Stunde weit weg…
Erstaunt haben wir gelesen: der katholische Konzern „Contilia GmbH“ ist als ein „gemeinnütziger Verein“ eingetragen!
Wir fragen: Was bitte ist an diesem Verein gemeinnützig?
Erst im Mai 2018 hat die Contilia die 3 Krankenhäuser hier im Essener Norden übernommen. Mit dem karitativen Argument, die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung hochqualifiziert und wohnortnah zu sichern. Schon zweieinhalb Jahre später, im September 2020 stehen Kolleginnen vom Marienhospital ohne jede Vorwarnung vor geschlossenen Türen! Sie sollen sich doch eine neue Arbeit suchen! Zum Beispiel bei der Niedriglohn- Tochtergesellschaft PerSe!
Was ist bitte gemeinnützig daran, 2 Kliniken in einem Stadtteil nach 2 Jahren, einfach so, ohne erkennbare Alternative zu schließen?
„Krankenhäuser müssen dem Patienten dienen, nicht dem Profit“, das sagen nicht nur wir, das sagt auch der Chef der Bundesärztekammer. Und weiter sagt er: „Ein Abbau der Versorgungskapazitäten, den uns immer wieder verschiedene politikberatende Stiftungen empfehlen, hätte bei uns in Deutschland im März und April zu gleichen Verhältnissen geführt wie in Spanien und Italien.“
So, und jetzt ist Ende Oktober, Corona wütet und die erste Klinik im Essener Norden ist schon dicht. Die zweite soll bis Ende des Jahres schließen. Spanien und Italien lassen grüßen…
Was bitte ist daran gemeinnützig? Nichts. Oder?
Wir von Courage wissen, wovon wir sprechen. Wir mussten um unsere Gemeinnützigkeit kämpfen – 8 Jahre lang – mit Demos, vor Gericht, mit Unterschriftensammlung und Überzeugungsarbeit in den Stadtteilen und den Medien.
Wir haben unsere Prinzipien verteidigt, nämlich ein Verband zu sein für Frauen von Religion bis Revolution.
Und wir haben gewonnen – wir haben uns unsere Gemeinnützigkeit wiedergeholt!
Wir wissen, was gemeinnützig ist. Und wir haben gelernt: Wer kämpft, kann gewinnen!
In diesem Sinne wünschen wir unserem gemeinsamen Kampf um eine wohnortnahe Gesundheitsversorgung, in der die Menschen und nicht der Profit im Mittelpunkt stehen, viel Erfolg!
Courage Essen e.V., 31. Oktober 2020