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Gut gemeint: Die neue Wohnsitzregelung

Mohanad und Anas sind Anfang 20. Im Jahr 2015 sind die Brüder aus ihrem Heimatland Syrien nach Deutschland geflohen. Nach einigen Monaten in Gemeinschaftsunterkünften leben sie seit dem 1. Juni 2016 als Wohngemeinschaft in Essen-Borbeck. Im Laufe der nächsten Monate werden sich die Wege der Beiden voraussichtlich trennen – nicht auf eigenen Wunsch, sondern als Folge des Integrationsgesetzes vom 6. August 2016.

Mohanad und Anas haben zunächst in Sachsen-Anhalt gelebt. Als Asylbewerber waren sie an den Ort gebunden, der Ihnen durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zugewiesen worden war. Mit der Anerkennung als Flüchtling und dem Erhalt eines Aufenthaltstitels war das anders, der Wohnort durfte dann innerhalb Deutschlands frei gewählt werden. Die Wahl fiel auf EssenMohanads Pech: Er erhielt seinen Aufenthaltstitel nach dem 31.12.2015. Für ihn gilt damit der seit dem 6. August geltende §12a des Aufenthaltsgesetzes, die sogenannte Wohnsitzregelung. Sie verpflichtet Mohamad, drei Jahre lang innerhalb des Bundeslandes zu leben, dem er für sein Asylverfahren zugewiesen worden war. Es geht also zurück nach Sachsen-Anhalt.

Der Caritas Flüchtlingshilfe e. V. begrüßt die neue Regelung im Grundsatz. Zwei Dinge machen uns Sorgen:

So wie Mohanad, sind mehrere hundert Menschen betroffen, die nach Monaten und Jahren der Flucht bei uns in Essen erstmals dabei sind, zur Ruhe zu kommen. Sie haben ein Jobcenter im Ursprungs-Bundesland um die Zustimmung zum Umzug gebeten und haben diese bekommen. Sie haben in Essen eine Wohnung gefunden – das ist für viele Flüchtlinge mit Provisionen von bis zu 1.000 € verbunden. Ein Jobcenter in Essen hat diese Wohnung für angemessen erklärt. Mietverträge wurden unterschrieben, Strom und Telefon angemeldet. Manchmal besuchen Erwachsene einen Sprachkurs oder Kinder einen Kindergarten.Wenn der Termin zur Anmeldung bei der Ausländerbehörde da ist – darauf müssen Flüchtlinge in Essen zwei bis drei Monate lang warten – kommt jetzt für Viele das böse Erwachen: Wer, so wie Mohanad, seinen Aufenthaltstitel am 1.1.2016 oder später bekommen hat und dann in ein anderes Bundesland gezogen ist, wird nicht in Essen angemeldet, sondern schriftlich über die neue Wohnsitzregelung informiert und zur Rückkehr nach Sachsen, Bayern oder Baden-Württemberg aufgefordert. Dabei haben diese Menschen ihren Wohnsitz in gutem Glauben auf das Recht der freien Wohnortwahl verlegt. Für sie wünschen wir uns einen Vertrauensschutz, eine Übergangsregelung, die ihnen eine Anmeldung in der Stadt ermöglicht, in der sie seit zwei oder drei Monaten leben.

Was uns außerdem fehlt, sind konkrete Aussagen zur Umsetzung der neuen Regelung. Bis heute ist nicht klar, ob ergangene Leistungsbescheide des Jobcenters ihre Gültigkeit behalten oder ob bald Flüchtlinge von einem Tag auf den anderen ohne Leistungen dastehen werden. Flüchtlinge werden ihre Wohnungen in Essen verlassen und nach Süd- oder Ostdeutschland zurückkehren. Was ist mit ihren Miet- und Telefonverträgen? Wer bezahlt den Umzug in das Ursprungs-Bundesland? Und wo können sie dort leben? Eine Rückkehr in eine Gemeinschaftsunterkunft ist nach den zurzeit geltenden Regeln nicht möglich.

Mohanad und Anas warten gegenwärtig in ihrer Wohnung auf einen Anruf von uns. Sobald uns selbst mehr Informationen zur Verfügung stehen, wollen wir betroffene Flüchtlinge zu einer Info-Veranstaltung einladen. Wie lange das dauern wird, ist offen: Mit Jobcenter und Ausländerbehörde stehen wir in gutem Kontakt, dort arbeitet man aber noch an internen Absprachen. Anfragen an Innenministerium und Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales warten noch auf inhaltliche Antworten.

Original-Artikel bei der Caritas-Flüchtlingshilfe e. V.

Caritas-Flüchtlingshilfe Essen: „Aus dem Alltag unseres Beratungszentrums“