Bericht von „Solidarität International“ (SI) aus Moria, Newsletter Juli 2020
Gegenwärtige Lage unmenschlich, Solidarität riesig, Selbstorganisation läuft…
Die gegenwärtige Lage:
“Wir sind im Camp immer noch im Lockdown, erfahren wir von unseren Partnern auf Lesbos.
Wir können bei der derzeitigen großen Sommerhitze nicht einmal zum Strand zur Abkühlung gehen, obwohl der Strand in der Nähe ist, weil wir die Sperrung respektieren. Das ist unlogisch, jetzt immer noch Lockdown zu haben, nachdem wir keinen einzigen bestätigten Fall von Covid-19 im Innern des Camps hatten, und der Rest Griechenlands seit einem Monat wieder offen ist. Obwohl wir in dieser Krisenzeit kooperiert und die Maßnahmen der Regierung respektiert haben, erhalten wir noch nicht einmal eine Erklärung, um zu verstehen, warum wir diesen Lockdown immer noch nur für das Camp haben.
Die griechische Regierung hatte Monate lang das Asylrecht ausgesetzt und jetzt tut sie so, wie wenn sie für die Flüchtlinge ist. Um die Zahl der Menschen in Camps zu reduzieren, hat sie 10.00 Asylbewerber anerkannt und jeder davon hat einen einen blauen Stempel erhalten.
Das bedeutet, dass sie einen Personalausweis bekommen können, wenn sie eine Wohnung und Job nachweisen können. Aber für den Job müssen sie Griechisch sprechen und eine Wohnung vorweisen. Um eine Wohnung mieten zu können müssen sie einen Job haben. Erst danach kann man einen Personalausweis bekommen. Wie heuchlerisch doch diese Asylpolitik ist. Sehr viele waren sehr glücklich als sie den blauen Stempel erhalten haben und nun. Böse Realität.
Vielen Menschen mit blauen Stempel wurde gesagt, sie müssten Geld aus ihrem eigenen Budget ausgeben und nach Athen fahren. Das taten auch viele damit sie aus den Lagern raus können.
Leider sehen wir, dass Menschen von schlechten zu noch schlimmeren Bedingungen hingehen. Menschen werden jetzt auf dem Victoria Platz in Athen zu überfüllter Obdachlosigkeit verurteilt. Deshalb fühlen sich einige gezwungen, illegale Alternativen zu suchen, nur um zu überleben.
Wo sind unsere Rechte? Wo ist die Menschlichkeit? Es ist schlimmer als ein Zoo! Denn dort erhalten die Tiere Schutz, Unterschlupf, Futter und medizinische Hilfe. Wohin führt uns das? Werden wir nicht als Menschen betrachtet? Seit Monaten reden alle über die Hölle von Moria. Und? Und? Irgendwas passiert? Wir sehen nichts. Und wir sind nur eine kleine Anzahl von Millionen Flüchtlingen weltweit, deren Situation jedes Jahr immer schlimmer wird. Wir lesen, wir sind dieses Jahr 80 Millionen. Na nächstes Jahr vielleicht 100?
Angesichts dieser katastrophalen Zustände polarisieren sich auch die Meinungen und Verhaltensweisen unter den Flüchtlingen. Moria ist wie ein Pulverfass. Die Kriminalität im Lager ist sehr hoch. Im Camp gibt es viele organisierte Banden. Das Schlimme ist, dass sie die Jugendlichen und Kinder für ihre kriminelle Handlungen benutzen. Sie organisieren, dass diese nachts das Lager verlassen, um in den Dörfern zu klauen. Im Lager selber organisieren sie den Drogenhandel, die Gewalt gegen Frauen und Kinder.
Das Schlimmste ist aber, dass sie die Kleinarbeit, die wir im Camp machen, kaputtmachen.
Auf griechisch sagt man „sie spucken in die Suppe“. Die Polizei traut sich gar nicht ins Camp. Es sind ungefähr 50 Polizisten auf der Insel stationiert. Sie bewachen aber nur die Eingänge und Ausgänge. Dazu kommt: Die Selbstorganisation der Flüchtlinge wird auf Lesbos massiv auch von den Faschisten der Hrisi Awgi („Morgenröte“) bedroht“
Die andere Seite in Moria:„Auf der anderen Seite steht der unermüdliche Einsatz von unseren Partnern von Oxi und anderen sowie von vielen Flüchtlingen, die die Initiative ergreifen, sich zusammenschließen und versuchen, die Lage der Menschen dort vor Ort zu verbessern. Die gesammelten Spenden von SI und anderen werden dazu dringend unterstützend benötigt. Wofür?Sie wurden bisher unter anderem für die vom griechischen Staat verweigerten Aufgaben genutzt, wie die Müllentsorgung und Wasserversorgung. Der Müll im Lager wird in Mülltüten gesammelt. Viele Menschen beteiligen sich an den Sammelaktionen, vor allem syrische Jugendliche sind sehr aktiv. Ein LKW kommt drei Mal in der Woche und dabei drei Mal am Tag und nimmt den Müll mit. Das kostet täglich 320 Euro. Insgesamt werden in der Woche bis zu 5 Tonnen Müll abgeholt. Zur Verbesserung der Wassersituation wurden Wasserlöcher gegraben. Außerdem haben wir, so unsere Partner, in den letzten Monat dazu beigetragen, ein ganz einzigarti-ges Recycling-Projekt zu starten. 40 % des Mülls im Lager sind Plastikflaschen, die in den normalen Müll geworfen wurden. Dann schlug ein lokales Unternehmen vor, das Plastikrecycling mit der Anlage in Mytilene zu fördern. Die Idee ist einfach und bisher sehr erfolgreich: Jeder, der zehn leere Flaschen sammelt und zum Truck bringt, bekommt eine eiskalte neue Flasche zurück. Vor allem die Kinder im Camp lieben das und warten lange bevor der Lkw mit den Flaschen ankommt. Schon die Menge an Flaschen ist zurückgegangen, die Kinder freuen sich und bekommen dabei von unseren Partnern, dem „Moria Corona Awareness Team“ eine lebensnahe Schulung über Recycling und Abfallwirtschaft. Aber natürlich kostet auch dieses Projekt Geld. 5000 Flaschen zum Recyceln und 500 neue kalte kosten ca. 250 Euro.Das „Moria Corona Awareness Team und die moria white hel-mets sind Sicherheits- und Erste-Hilfe-Service Gruppen. Sie bestehen aus syrischen und arabischen Flüchtlingen auf Lesbos, die sich während der Corona-Krise gegründet haben, um im Lager zu helfen. Es gibt auch eine Zusammenarbeit mit der Feuerwehr von Mytilene auf Lesbos: In Kürze beginnen sie mit Brandschutztraining für Flüchtlinge im Camp. Ein ganz zentrales Ziel und gegenwärtig große Herausforderung ist auch der Wiederaufbau der Schulen in Form von Zeltschulen für Frauen und Kinder mit Hilfe der Moria Academia. Wir sind sehr froh, dass wir die Schüler mit Büchern, Stiften und sonstigem Material mit Hilfe der Spenden versorgen können, erfahren wir in einem Bericht. Normalerweise helfen täglich rund 20 Lehrer dabei, das Academia-Programm am Laufen zu halten. Viele Lehrer sind dabei selbst Flüchtlinge. Mit der Eröffnung der Zeltschulen der Moria Academia ist es möglich, endlich wieder die die Alphabetisierung der Menschen voranzubringen. Vorträge über Gesundheit, für Frauenrechte, und Aufklärung gegen Gewalt an Mädchen und Frauen sind weitere Themen. Die Schüler lernen Selbsthilfetechniken gegen die Gewalt und es gibt Erste-Hilfe-Kurse. Insgesamt sind bisher 69,114,77 € gespendet worden. Die Initiative von Courage mit 79 Nähmaschinen und Hunderten von kg an Stoffen und Nähwerkzeugen kommen der ganzen Insel zugute. Nähmaschinen wurden an die Krankenschwestern in Krankenhäusern und an Frauen in den Dörfern und im Camp ausgeliehen und verteilt und alle nähen Schutzmasken für die Bevölkerung und die Flüchtlinge. Diese vorbildliche Arbeit zeigt die Bedeutung der internationalen Solidarität und Arbeit von SI. Stärken wir den weiter den Solidarpakt mit OXI-Schule in Moria!
(Bericht von Jordanis Georgiou, der die Verbindung mit den Menschen in Moria und unseren griechischen Partner vor Ort aufrechterhält.)